In meiner Kindheit liebte ich es, Zeit mit meinem Vater zu verbringen. Wir bauten ein Haus, ich hielt ihm die Nägel, hob den Hammer, saß auf den Brettern als Gewicht, wenn er sägte. Ich war zwar ein Mädchen aber gleichzeitig sein bester "Sohn", denn er hatte sich immer einen Jungen gewünscht. Er war Atomphysiker aus Leidenschaft, wanderte in den Bergen mit anderen „richtigen" Männern und sang am Lagerfeuer Lieder. Einer seiner Lieblingssätze war „Alles ist nicht so einfach"... und er machte sich über meine „Mädchen-Ausbrüche", wie z.B. Verkleiden oder sonstigen Quatsch, lustig. Er war ein Toller, er war mein Held.
Später trug ich gerne Hosen. Ich schämte mich unerklärlich für meine eigentlich ganz passable Figur, war mit Jungs lieber befreundet, Mädchen und Frauen fand ich meist zickig und oberflächlich. Später stritt ich viel mit meinem Vater. Ich musste mich lösen und das gelang mir ganz gut, dachte ich, indem ich alles anders machte, als er es sich für mich vorgestellt hatte. Aber die Männer in meinem Leben wurden trotzdem daran gemessen, ob sie Sartre verstanden und mir den Motor eines TU 154 erklären konnten. Ich wusste nicht genau, wie man eine richtige Frau ist, dafür aber, was ein richtiger Mann alles können und wissen sollte. Was würde wohl mein Vater dazu sagen?
Das Vaterbild lebte lange weiter in mir, prägte meine Beziehungen, mein Leben. Wie wirken die Elternbilder? Na so: unter der Haut, als Hintergrund, durchgehend. Bis man sich dessen bewusst wird und anfängt, die unsichtbare Nabelschnur zu trennen.