Ich hatte eine Freundin. Wir sahen uns fast jeden Tag und trotzdem schrieben wir uns Briefe von Hand – unsere Gedanken über die Einsamkeit.
Einsamkeit, das ist so ein Ding, bei dem, auch wenn du anscheinend strahlst, auch wenn es scheint, du seist glücklich und erfolgreich, innen so eine tiefe Ahnung zurück bleibt: im Grunde bist du doch allein. So absolut. Und egal wie sehr du geliebt wirst, es reicht nicht. Nie. Einsamkeit ist etwas Absolutes. Und meine Freundin und ich waren Profis darin.
Die Geburt der Einsamkeit liegt viele, viele Jahre zurück, als das Kind seine ersten Enttäuschungen erlebte. Und es schien schon damals so, als ob sie für immer bliebe. Enttäuschung darüber, dass man nicht vertrauen, sich öffnen, wahre Freude oder Trauer zeigen kann, ohne dafür verletzt zu werden. Das Kind fühlt sich oft nicht gehört. Einsamkeit entsteht da, wo das Kind nicht authentisch sein kann, da, wo die kindliche Offenheit die Erwachsenen belustigt, seine Traurigkeit nicht ernst genommen wird. Manchmal scheint es sogar, dass alle Gefühle unwichtig sind, solange man noch Kind ist. Das Dumme ist nur, dass dieses „solange" innerlich nie endet, das innere Kind bleibt für viele Jahre verletzt und... einsam. Einsamkeit entsteht, wenn das Kind schon sehr früh lernt, einem Bild von sich entsprechen zu müssen, sich hinter Rollen zu verstecken, damit es weniger verletzbar wird.
So schrieben wir einander Briefe, meine Freundin und ich. Wir erzählten uns, wie endlos die Einsamkeit ist, weltumfassend und für alle gültig, nur dass manche es nicht begreifen wollen, weil sie nicht soweit sind. Dass es keine Liebe gibt und keinen Gott, dass das alles von den Menschen ausgedacht wurde, nur um dieser einen Wahrheit nicht in die Augen schauen zu müssen. Wir suchten keinen Ausweg, wir glaubten an unsere Wahrheit. Wir liebten unsere Einsamkeit mit ihrer bodenlosen Sehnsucht und diesen Sartre-Mauern um uns herum.
Die Einsamen können nicht vertrauen. Nie und niemandem. Es ist nicht nur so, dass in der Dose nicht unbedingt das Gleiche ist, was drauf steht, es ist viel mehr: man kann einfach nicht glauben, wenn man „ich liebe dich" hört. Die Einsamen nehmen es nicht an, sie kommen sich dann wie Schwindler vor und die anderen erscheinen naiv. Offene oder versteckte Arroganz begleitet einen Einsamen und tut auch von Innen Weh.
Gibt es einen Ausweg aus dieser Wahrheit? Ja.
Durch das Vergeben, das Vertrauen und durch die Dankbarkeit.
So pathetisch, aber so einfach zugleich.