„Ob ich ein erwünschtes Kind war? Nein...", „meine Mutter sagte immer, ich sei doch schon groß", „mein Vater war kaum zu Hause"...
Unsere Eltern waren stets bemüht, gute Eltern für uns zu sein. Ihr Vorbild und die Erziehung hinterließen in uns Spuren. Heute leben sie in uns weiter – als Stimmen, und nicht selten als Bestimmer. Wir sind bis heute Gefangene unserer Eltern. Sie sind unsere „Inneren Eltern".
Kann sein, dass das „unerwünschte Kind" auch heute als Erwachsener mit dem Gefühl lebt, dass es kämpfen muss, um sich die Liebe zu verdienen, dass es sich über „Ich kann was...", „Ich weiß was..." oder „Ich habe was..." definieren muss, ohne das natürliche „Ich bin" annehmen zu können, als ob dieses „Ich bin" zu wenig wäre, nicht genug, um geliebt zu werden. Wie ist es bei dir, wenn du unerwünscht warst?
Die Kinder, die schon sehr früh erwachsen werden sollten, können sehr erfolgreiche Menschen geworden sein. Aber können sie vertrauen? Können sie um Hilfe bitten, ohne sich dabei schwach und verletzbar zu fühlen? Und fühlt sich diese vermeintliche Verantwortung nicht total einsam an: alles unter Kontrolle behalten zu müssen, sogar im Auto neben einem erfahrenen Fahrer? Unfähig, sich einfach nur zu entspannen? Es kann auch ganz anders gekommen sein, aber die damalige Selbstständigkeit holt uns auch heute irgendwo ein, vielleicht im undefinierten Gefühl des Fremdschämens, wenn jemand sich unterwürfig oder schwach zeigt? Wie ist es bei dir, wenn du zu früh erwachsen sein solltest?
Der Vater, der nie da war. Auch er hinterlässt eine nicht zu verwischende Spur – ein schwarzes Loch der Sehnsucht. Solche Kinder werden nicht selten zu Erwachsenen, die nach Anerkennung lechzen, besonders nach der Anerkennung von den Männern – ob vom Ehemann, der niemals den Erwartungen entsprechen kann, oder vom Lehrer, dessen Meinung unreflektiert übernommen wird, oder vom älteren Freund, aber stets mit einem unzufriedenen Gefühl, nicht groß, nicht wichtig genug zu sein, nicht gut genug...
Die Konsequenzen können auch ganz anders sein, aber gewiss bleibt, dass nichts aus der Kindheit spurlos vergeht. Und die frühkindlichen Prägungen bleiben nicht einfach als Spuren auf der Seele – sie sind wie ein Korsett, das die eigentlichen Bewegungen einschränkt, nicht erlaubt, große Bewegungen zu machen, lächerlich oder unwissend zu erscheinen, ein Korsett aus Scham und unerklärlicher Schuld, oder einfach nur der totalen Einsamkeit im „anders sein". Mit solchen Korsetts ist es verdammt schwer, ich selbst zu sein. Es scheint einem, man träge Masken, man spiele Rollen, und wenn man die ablegen würde – was bleibt dann?
Darum geht es im Hoffman Prozess. Um „Was bleibt dann?" – denn dann bleibe ICH.
Aber wer ist dieses ICH?
Es ist ein Wunder, die Sicherheit zu gewinnen, dass man ohne Korsett leben kann, dass da nichts Böses oder Schreckliches ist, sonders etwas Wunderschönes und Echtes. Es ist genial, in den Spiegel zu schauen, und nicht die eigenen Fehler, sondern die eigene Schönheit zu erkennen. Und danach den Eltern zu begegnen, ohne ihnen etwas beweisen oder sich an ihnen rächen zu müssen, ohne innerlich wieder und wieder zum verletzbaren Kind zu werden, das ich einmal war. Unabhängig und liebevoll, weil das eine Stärke ist, die keiner mir mehr nehmen kann.