Gaaanz ruhig!
Da ist kein Tiger.
Oktober 2021

Gaaanz ruhig! Da ist kein Tiger

Wie wir unsere automatischen Reaktionen verändern können.
Negative Erfahrungen
Alle unsere Erfahrungen sind in uns gespeichert. Unser aktives Gedächtnis, unser Unterbewusstsein und auch unser Körper „wissen", was sie erlebt haben. Und weil sie es „wissen", können sie mehr oder weniger angemessen handeln, denn die Welt verändert sich in jedem Augenblick. Die Lebewesen-Zellen teilen sich, alles wächst und verwandelt sich, die Blätter werden rot, wir werden älter, der heutige Tag unterscheidet sich immer vom gestrigen, auch wenn wir uns selbst manchmal wie Murmeltiere vorkommen...

Das, was uns geschieht, was wir als äußere Reize wahrnehmen, vergleichen wir immer mit den früheren Erfahrungen und entscheiden uns aufgrund dessen so oder anders zu reagieren. Es geschieht innerhalb von Millisekunden, instinktiv, intuitiv. Habe ich eine Pilzvergiftung erlebt, wehrt sich mein ganzes Sein gegen den Pilzgeruch, damit ich nicht in Gefahr komme. Habe ich als Kind Schläge erlebt, spannt sich in mir alles an, sobald in meiner Umgebung etwas geschieht, was ich als Bedrohung deuten könnte. Diese Reaktion geschieht augenblicklich, lange bevor ich überhaupt verstehe, welche Sinneseindrücke mir überhaupt diese Information geliefert haben.

Und genau an dieser Stelle setzt unsere innere Arbeit an. Denn nicht alle Pilze sind giftig. Nicht jeder Handbewegung oder jedem scharfen Wort liegt die Verletzungsabsicht zugrunde. Wenn wir darüber nachdenken, wissen wir es auch. Aber unser Unterbewusstsein reagiert schneller.
Positive Erfahrungen
Das Faszinierende las ich heute bei Eric Kandel: noch bevor wir tatsächlich losrennen, um uns zu retten, weil wir in unserem Vorgesetzten den eigenen Vater erkannt haben, der uns gleich schlagen wird, geht diese Entscheidung durch unsere kognitive Kontrollinstanz durch. Ein anderer Teil des Gehirns sagt uns dann: „Stopp. Das ist nicht der Tiger, auch wenn er so ähnlich aussieht." Unser Körper ist schon bereit, die Hände schwitzen, der Pulsschlag ist schnell. Aber unser Intellekt sagt: „Gaaanz ruhig. Bleib sitzen. Das ist nicht der Tiger".

Die vernünftige Erklärung reicht nicht aus, um unsere automatischen Reaktionen zu verändern. Das Erleben positiver Erfahrungen anstelle der schmerzlichen und beängstigenden ist heilend. Vom Pferd fallen und sich wieder draufsetzen, damit die Angst nicht zu einer prävalierenden Reaktion auf das Pferd wird. Das Erleben, dass es kontroverse Meinungen gibt, ohne dass der eine den anderen erniedrigt. Dass es Nähe gibt ohne Schmerz. Dass es starke, mächtige Energien gibt, ohne dass sie zu Gewalt werden. Das Erleben von Selbstwirksamkeit ohne Strafe und von Zuwendung ohne im nächsten Augenblick ignoriert zu werden.

Je öfter wir unsere traumatischen Erfahrungen wiederholen, desto fester werden die negativen Bilder. Wenn wir aber von anderen Menschen – unseren Freunden, Verwandten, unserer Community, einem Lehrer, einem Psychotherapeuten oder auch einem unbekannten Zugbegleiter – ermutigt werden, in einer vergleichbaren Situation eine positive Erfahrung zu machen, erweitern wir enorm unsere Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten.
Automatische
Reaktionen verändern
Darum geht es im Wesentlichen im Hoffman Prozess. Es wird ein Feld eröffnet, um erstmal festzustellen, welche negativen Erfahrungen ich hatte, die mich so geprägt haben. Welche unbewussten Reaktionen steuern mein Verhalten und meine Entscheidungen im Alltag?

Im zweiten Schritt mache ich neue Erfahrungen:
Erfahrungen der Handlungsfähigkeit, wo früher Starre und Hilflosigkeit waren.
Erfahrungen des empathischen, mitfühlenden Kontakts, wo früher Ablehnung und Scham waren.
Erfahrungen der entspannten Würde und Kraft, wo früher Zweifel und Angst waren.

Im Alltag bedeutet das: Mut. Wir sollen unseren Kindern Mut machen, auch da Neues auszuprobieren, wo sie bereits scheiternde Erfahrungen gemacht haben. Wir sollten ihnen vertrauen und ihnen das Feld von Empathie, Zuversicht und Interesse offenhalten, ein tragendes Feld der Liebe.

Wir wollen aber auch unseren eigenen Inneren Kindern Mut machen, sich auf neue Erfahrungen einzulassen. Auch in Kleinigkeiten im Alltag mit unserem Verhalten zu experimentieren.

Das Leben ist ja so spannend, so reich und bunt, so faszinierend fließend.

Hoffman Essentials

Am 08. und 09. Januar 2022
könnt ihr an einem Wochenende die Herangehensweise und die Techniken des Hoffman Prozesses kennenlernen.
Unser Team, Daria Markin und Holger Dick, veranstaltet einen zweitägigen online Kennenlern-Workshop
Hoffman Essentials" –
die Grundbausteine der Prozess-Arbeit.

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