Meine Urgroßmutter war, so die Erzählungen der Oma, eine starke Frau, sie kommandierte einen großen Hof in Kasanschen Gouvernement, mitten im tiefsten Russland. Der Urgroßvater war Arzt – ein hochangesehener und würdevoller Mann mit Nickelbrille und von schmächtiger Statur. Später trug die Oma mit ihrer Kraft ihren Mann und zwei Kinder durch Krieg und Sowjetregime. Die Geschichte meiner Mutter und ihres Bruders ist hier nicht von Belang, nur dass die Mutter den starken Willen der Großmutter geerbt hat, die Mächtigkeit, die Einsamkeit. Dann war ich dran, die Älteste, der es in der Pubertät langsam dämmerte: der Papa, mein Lieblingsmensch auf Erden – ist gar nicht so kraftvoll und stark, wie ich dachte.
Und so wechselten sich in meinem Leben die netten Männer ab in leicht abgewandelten Variationen der Unterwürfigkeit gegenüber meinem Despotismus, meiner Willkür und ja, meiner Macht und meiner königlichen Einsamkeit.
Innerlich aber lebte und reifte die Sehnsucht nach einem, den ich nie kannte, nach einem, der meine Ausbrüche nicht beachtet, auf den ich mich verlassen kann, der einfach tut, ohne zu hinterfragen, der mich an die Hand nimmt und in einem Moment willkürlichen Wutausbruchs mir liebevoll und klar sagt: „Hey, mach doch lieber einen Spaziergang durch den Wald, alles andere ist nicht konstruktiv". So einer kam und kam nicht, ich verweilte in der Leere neben einem eigentlich Guten, dem ich so verdammt überlegen war, dass es mich verlegen machte, meine Macht und Unmut auszuüben, eingesperrt in eigenen Bildern.
Eines Abends saß ich mit unserem Kindermädchen zusammen – eine junge, unglaublich herzliche und feinfühlige Frau, mit einer furchtbaren Kindheitsgeschichte, sich ritzend, einem von Bulimie scheinbar endgültig zerstörten Körper, der unfähig war, schwanger zu werden und mit einem Exmann, der sie geschlagen hatte . Jetzt saß sie vor mir nach ihrem „Urlaub" und ich erkannte sie kaum wieder – sie strahlte eine stille innere Ruhe und Ausgeglichenheit aus. „Was hast du gemacht? – fragte ich, - hast du Drogen genommen? Wo warst du? Zwei Wochen auf Safari oder beim Meditieren im Himalaja?" Nein. Sie sagte nur „Hoffman".
Sie hatte am Hoffman Prozess teilgenommen. Viel mehr erzählte sie eigentlich nicht, das war die beste Werbung. Dazu muss ich sagen, dass ich als Tochter eines Atomphysikers und einer Kinderärztin äußerst skeptisch war. Ich prüfe erstmals alles gründlich „auf Läuse", wie mein Vater zu sagen pflegte, auf wissenschaftliche Beständigkeit und „ob man´s hart kochen kann". Und bitte ohne Eso-kram und Trommeln-Zeug.
Seitdem sind viele Jahre vergangen. Ich weiß, dass Hoffman das Leben vieler Tausend Menschen verändert hat. Auch meines. Unser damaliges Kindermädchen war vor kurzem mal wieder zu Besuch – sie hat mittlerweile 3 gesunde Kinder, alles Hausgeburten mit Hypnobirthing, einen tollen sympathischen Mann, sie isst normal, kein Schatten von damals. Und ich? An meiner Seite ist ein Mann, den ich liebe, der mich an die Hand nimmt. Er sagt manchmal nichts. Auch nicht, dass ich in den Wald gehen soll und dass alles andere nicht konstruktiv sei, das weiß ich dann selbst. Es ist nicht seine Verantwortung, mich glücklich zu machen, darum kümmere ich mich selbst . Er muss nicht immer stark sein oder irgendwelche Rollen aus meinem Kopf erfüllen, er darf er selbst sein, wie erleichternd in der Beziehung. Ich schaue in seine Augen und verstehe – ich habe und liebe mich, und ich liebe ihn, und zusammen gehen wir nicht unter. Aus dieser Kraft können wir Berge versetzen.
Das ist Hoffman. Was nützt es darüber zu schreiben, wie Hoffman funktioniert, Methoden, Techniken, wissenschaftliche Hintergründe – das alles ist zweitrangig. Das wichtigste ist: wir begegnen uns selbst und nach dem Prozess kennen wir uns selbst. Ein für alle Mal. Und wir nehmen uns an, das ist ein Glück.
Eigentlich wollte ich einen Text darüber schreiben, wie Hoffman funktioniert, stattdessen kam das hier raus, etwas sehr Persönliches.
Fundierteres wohl lieber ein anders Mal.